Hintergrund des Pictet-Falls und Strafbarkeit nach Art. 305bis StGB
Am 17. Juni 2025 sprach die Bundesanwaltschaft (BA) per Strafbefehl einen ehemaligen Vermögensverwalter der Banque Pictet et Cie SA (Pictet) der schweren Geldwäscherei schuldig. Der Angestellte erhielt eine bedingte Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Die Bank selbst wurde zu einer Busse von CHF 2 Millionen verurteilt, weil sie „nicht alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen“ getroffen hatte, um diese Straftat zu verhindern. Die Untersuchung ergab, dass zwischen 2010 und 2013 Gelder in Höhe von über USD 4,1 Millionen – aus Bestechungszahlungen eines brasilianischen Amtsträgers – über ein Pictet-Konto verschoben wurden, um deren kriminelle Herkunft zu verschleiern.
Der Tatbestand der Geldwäscherei ist in Art. 305bis StGB geregelt. Er erfasst etwa das Verschieben, Verwerten oder Verbergen von Vermögenswerten, die aus Verbrechen stammen, um die Wiederintegration in den legalen Finanzkreislauf zu ermöglichen. Als schwer (qualifiziert) gilt die Geldwäscherei etwa bei besonders hohen Beträgen oder wenn sie gewerbsmäßig oder durch Organe einer kriminellen Organisation erfolgt. Im Pictet-Fall bildete Korruptionsgeld aus Brasilien die Vortat; dessen systematische Verschleierung erfüllte so den Tatbestand der schweren Geldwäscherei.
Strafrechtliche Unternehmensverantwortung (Art. 102 Abs. 2 StGB)
Seit 2006 kann nach Art. 102 Abs. 2 StGB ein Unternehmen originär bestraft werden, wenn in seiner Geschäftstätigkeit eine Katalogtat – etwa nach Art. 305bis StGB (Geldwäscherei) – begangen wird und das Unternehmen nicht „alle erforderlichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen getroffen hat, um eine solche Straftat zu verhindern“. Art. 102 Abs. 2 StGB setzt also voraus, dass eine Straftat innerhalb des Unternehmens objektiv stattgefunden hat (hier: schwere Geldwäscherei) und die Unternehmensleitung grob fahrlässig bei der Verhinderung war. Die Norm unterscheidet sich von Abs. 1 dadurch, dass das Unternehmen nicht nur subsidiär haftet (wenn keine natürliche Person belangt werden kann), sondern auch dann, wenn ein Täter ermittelt ist. Selbst wenn der Verwalter also als Täter bestraft wird, ist die Bank per Art. 102 Abs. 2 StGB weiterhin haftbar, weil ihr die unzureichende Organisation vorgeworfen wird.
Das Bundesstrafgericht verlangt für eine Verurteilung des Unternehmens zusätzlich den Nachweis von Zurechnungszusammenhang und Vermeidbarkeit: Es muss klar sein, dass konkrete organisatorische Massnahmen notwendig gewesen wären und deren Fehlen kausal für die Tat war. Mit anderen Worten muss gezeigt werden, dass der Geldwäschereiverstoss wahrscheinlich nicht stattgefunden hätte, wenn Pictet ein angemessenes Compliance-System implementiert hätte. Der Fall zeigt, dass letztlich schon das Unterlassen „zumutbarer Vorkehrungen“ – etwa lückenhafter Kontrollen oder ungenügender Risikoanalysen – genügen kann, um die Haftung nach Art. 102 Abs. 2 StGB auszulösen.
Organisatorische Vorkehrungen und interne Kontrollmechanismen
Die Pictet-Entscheidung unterstreicht die zentrale Rolle von Compliance-Strukturen und internen Kontrollen. Banken und andere Finanzintermediäre sind nach dem Geldwäschereigesetz verpflichtet, ein risikoorientiertes System zur Geldwäschereiprävention zu betreiben. Die FINMA fordert ausdrücklich, dass Finanzinstitute „die notwendigen organisatorischen Massnahmen zur Verhinderung von Geldwäscherei“ treffen – hierzu gehören namentlich interne Weisungen, gezielte Schulung des Personals und regelmäßige Kontrollen/Audits. Beispiele aus der Praxis zeigen, dass das Fehlen solcher Elemente leicht als Organisationsmangel gewertet wird: So musste die Morgan Stanley (Switzerland) GmbH eine Busse von CHF 1 Mio. zahlen, nachdem die BA befand, es seien nicht alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen gewesen, um qualifizierte Geldwäscherei eines Kundenberaters zu verhindern. Ähnlich stellte die Aufarbeitung des Petrobras-Skandals fest, dass eine Schweizer Privatbank ihre Mitarbeiter nicht ausreichend überwacht hatte; dies führte zu einem Strafbefehl wegen schwerer Geldwäscherei.
Solche Fälle verdeutlichen: Sanktionen wegen Art. 102 Abs. 2 setzen gerade auf Organisationsmängel ab. Damit ein Unternehmen sein hohes Compliance-Niveau nachweisen kann, braucht es konsequent dokumentierte Prozesse – vom Kunde-Identifizieren (KYC) über die systematische Risikoanalyse bis hin zur Überprüfung verdächtiger Transaktionen. Fehlt etwa ein automatisiertes Transaktionsmonitoring oder werden Hinweise auf unübliche Vorgänge (etwa große Bartransfers oder Verrechnungen über Drittkonten) ignoriert, kann dies als grobe Pflichtverletzung gewertet werden.
Lehren für Treuhänder und Rohstoffhändler
Die Pictet-Entscheidung birgt Lehren weit über den Bankensektor hinaus. In der Schweiz gelten inzwischen auch Treuhänderinnen und Treuhänder als Finanzintermediäre im Sinne des Geldwäschereigesetzes und müssen einer von der FINMA anerkannten Selbstregulierungsorganisation (SRO) angehören. Das bedeutet konkret, dass Treuhänder dieselben Sorgfaltspflichten erfüllen müssen wie Banken: Mandanten identifizieren, wirtschaftlich Berechtigte überprüfen und Verdachtsfälle melden. Gerade in der Treuhandbranche sind Korruptions- und Geldwäsche-Risiken hoch – etwa bei der Gründung von Briefkastenfirmen oder verwalteten Vermögen. Wer als Treuhänder unzureichend kontrolliert, dass etwa Gesellschaftskonstrukte nur von vertrauenswürdigen Personen genutzt werden, macht sich ähnlich angreifbar wie eine Bank ohne AML-System.
Auch Rohstoffhandelsunternehmen (Metalle, Öl, Agrarprodukte) stehen im Fokus. Der internationale Währungsfonds und die Geldwäschereibehörde stufen den Rohstoffhandel als hochriskant für Geldwäscherei ein. Komplexe Lieferketten mit vielen Zwischenhändlern und grosse Geldbeträge schaffen ideale Bedingungen für undurchsichtige Finanzflüsse. Für alle diese Unternehmen gilt: Fehlende oder nur pro forma eingeführte Compliance-Systeme können zu strafrechtlicher Verantwortung nach Art. 102 Abs. 2 führen. Der Pictet-Fall mahnt, dass auch abseits der Banken strenge interne Kontrollen erforderlich sind.
Empfehlungen zur Risikoprävention
Aus dem Pictet-Fall lassen sich konkrete Vorsorgemaßnahmen ableiten, die nicht nur Banken, sondern auch Treuhänder und Rohstoffhändler umsetzen sollten:
Risikobasierte Kundenprüfung (KYC): Führen Sie systematische Identifikations- und Hintergrundprüfungen durch, besonders bei Neukunden aus Hochrisikosektoren oder -ländern. Erfassen Sie wirtschaftlich Berechtigte und prüfen Sie geschäftliche Verflechtungen.
Politisch exponierte Personen (PEP) und Lieferketten: Erhöhen Sie die Due-Diligence für PEPs oder komplexe Lieferketten (Rohstoffe). Dokumentieren Sie Quellen von Vermögenswerten und prüfen Sie Transparenz der Transaktionen.
Interne Richtlinien und Schulungen: Erlassen Sie klare AML-/Anti-Korruptionsrichtlinien und schulen Sie alle betroffenen Mitarbeitenden regelmäßig. Sensibilisieren Sie für typische Geldwäschemethoden (zum Beispiel „Layering“ durch Drittaccounts).
Transaktionskontrolle und Überwachung: Setzen Sie ein Überwachungssystem (Monitoring) ein, um ungewöhnliche Transaktionen sofort zu erkennen. Planen Sie regelmäßige interne und externe Audits der Compliance-Prozesse.
Meldewege und Governance: Etablieren Sie strukturierte Meldewege für Verdachtsfälle (z.B. an die Meldestelle MROS). Sorgen Sie dafür, dass Geschäftsleitung und Verwaltungsrat die Einhaltung der Sorgfaltspflichten aktiv überwachen (z.B. durch Berichtspflichten der Compliance-Funktion).
Indem Unternehmen diese Maßnahmen „erforderlich und zumutbar“ umsetzen, können sie zeigen, dass sie Straftaten wirksam vorbeugen wollen. Gerade das Pictet-Urteil betont, dass nur ein ernsthaft praktiziertes Compliance-System vor Strafe schützt.
Fazit und Bedeutung für die Praxis
Der Fall Banque Pictet unterstreicht, dass Unternehmen in der Schweiz strafrechtlich konsequent für Organisationsmängel haftbar gemacht werden. Auch wenn die Bank nicht selbst strafbare Absichten hatte, genügte das Versagen der internen Kontrollsysteme für eine zweifache Verurteilung – der Angestellte wegen Geldwäscherei und die Bank wegen Fahrlässigkeit bei Präventionspflichten. Compliance ist somit keine Kann-, sondern Pflicht. Praktisch hesst das: Sämtliche Firmen mit grenzüberschreitenden oder risikobehafteten Geschäften müssen AML-Risiken systematisch managen. Für Treuhänder und Rohstoffhändler gelten dieselben Anforderungen wie für Banken. Wer Geldwäscherei oder andere Katalogdelikte verhindern will, muss in Organisation und Kontrolle investieren. Für die Praxis bedeutet dies, dass Stiftungsräte, Geschäftsleitungen und Compliance-Verantwortliche ihr Risikomanagement kontinuierlich überprüfen und verbessern müssen. Andernfalls drohen Strafbefehle und Bussen nach Art. 102 Abs. 2 StGB bei einmaligem Versagen – eine Praxis, die in letzter Zeit von der Bundesanwaltschaft mehrfach angewendet wurde. Die Lehre lautet: Vorbeugende Compliance-Maßnahmen sind entscheidend, um strafrechtliche, finanzielle und reputative Risiken auszuschließen.