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Entwicklungen im Nebenstrafrecht.

Bundesgericht bestätigt ESBK-Sanktion: Weichenstellung für Geldspiel-Regulierung

Hintergrund: Sanktion gegen ein Online-Casino bestätigt

Am 30. April 2025 hat das Schweizer Bundesgericht (Entscheid 2C_175/2024) die Beschwerde der Grand Casino Baden AG (anonymisiert als A. AG) gegen eine Verwaltungssanktion der Eidgenössischen Spielbankenkommission (ESBK) vollumfänglich abgewiesen. Damit wurde eine Geldbusse von rund 1,8 Millionen CHF rechtskräftig, welche die ESBK wegen verschiedener Verstösse im Online-Casino der Beschwerdeführerin verhängt hatte. Die ESBK hatte diese Sanktion im Dezember 2020 ausgesprochen, nachdem die Grand Casino Baden AG selbst Vorfälle auf ihrer neuen Online-Plattform gemeldet hatte. Konkret wurde die Casino-Gesellschaft sanktioniert. Das Bundesverwaltungsgericht hatte die Sanktion bereits im November 2023 weitgehend bestätigt, lediglich die Verfahrenskosten leicht reduziert. Das höchstrichterliche Urteil bestätigt nun nicht nur die Busse in Höhe von 1,8 Mio. CHF, sondern auch die konsequente Aufsichtstätigkeit der ESBK.

Die Sanktion steht im Zusammenhang mit dem im Juli 2019 gestarteten Online-Casino jackpots.ch der Grand Casino Baden AG. Im ersten Jahr dieses Online-Angebots – massiv begünstigt durch die Corona-Pandemie – kam es zu Regelverstössen im Spielerschutz und bei den Geldwäscherei-Pflichten. So hatte das Casino es versäumt, bei mehreren Spielern mit sehr hohen Einsätzen und Verlusten rechtzeitig Abklärungen zur finanziellen Situation vorzunehmen und nötigenfalls Spielersperren zu verhängen. Zudem wurden gesperrte Spieler*innen irrtümlich mit Werbe-E-Mails angeschrieben. Die ESBK qualifizierte diese Verstösse als mittelschwer und setzte die Busse auf 2,5 % des Bruttospielertrags 2020 der Grand Casino Baden AG fest. Dies entsprach den gesetzlichen Vorgaben und entsprach rund 1,8 Mio. CHF (bei einem gesamten Bruttospielertrag von ca. 72 Mio. CHF im Jahr 2020). Im Folgenden werden die wichtigsten regulatorischen Leitlinien analysiert, die das Bundesgericht mit Blick auf Art. 100 Geldspielgesetz (BGS) herausgearbeitet hat.

Voraussetzungen einer Verwaltungssanktion nach Art. 100 BGS

Art. 100 BGS bildet die Grundlage für Sanktionen gegen konzessionierte Spielbanken. Die Norm besagt, dass eine Konzessionärin, die gegen gesetzliche Bestimmungen, die Konzessionsauflagen oder gegen rechtskräftige Verfügungen verstösst, mit bis zu 15 % des im letzten Geschäftsjahr erzielten Bruttospielertrags belastet werden kann. Es handelt sich um eine pekuniäre Verwaltungssanktion mit präventivem und pönalem Charakter, welche an das staatlich regulierte Verhalten der Spielbank anknüpft. Diese Sanktion ist dem Verwaltungsrecht zuzuordnen, wird aber wegen ihrer Schwere von der Rechtsprechung in den Anwendungsbereich von Art. 6 EMRK (fair trial) einbezogen.

Das Bundesgericht stellt klar, dass für eine Sanktion nach Art. 100 BGS neben einem objektiven Gesetzesverstoss auch ein Verschulden der Konzessionärin vorliegen muss. Erforderlich ist in der Regel ein objektiver Sorgfaltspflichtmangel im Sinne eines Organisationsverschuldens. Mit anderen Worten: Die Spielbank muss ihre internen Abläufe so organisiert haben, dass Gesetzesverstösse durch Mitarbeiter oder Systeme nach Möglichkeit verhindert werden. Ein Verstoss gegen zentrale Geldspiel-Bestimmungen indiziert dabei meist bereits einen Sorgfaltspflichtmangel, denn die Konzessionärin muss die rechtlichen Vorgaben kennen und einhalten. Unerheblich ist, ob der konkrete Fehltritt einer individuellen natürlichen Person zugeordnet werden kann – selbst wenn kein einzelner Angestellter direkt schuldhaft handelt, kann der Betrieb als Ganzes pflichtwidrig organisiert sein. Diese Auslegung lehnt sich bewusst an die Praxis im Kartellrecht (Art. 49a KG) an, wo Unternehmensverstösse ähnlich beurteilt werden. Kurz gesagt: Eine Verwaltungssanktion setzt einen Gesetzesverstoss voraus, der der Spielbank aufgrund mangelnder organisatorischer Vorkehrungen vorgeworfen werden kann.

Im vorliegenden Fall bejahte das Bundesgericht ein Organisationsverschulden der Grand Casino Baden AG. Mehrere Versäumnisse – etwa im Bereich der Früherkennung spielsüchtigen Verhaltens, Verstösse gegen Werbeverbote und Verzögerungen bei geldwäschereirechtlichen Abklärungen – deuteten auf systemische Mängel hin. Das Casino hatte trotz gesetzlicher Frühinterventionspflichten (Art. 80 BGS und Ausführungsbestimmungen) Spieler*innen mit sechsstelligem Jahresverlust nicht rechtzeitig gesperrt und bei Verdacht auf Spielsucht keine unverzüglichen Einkommensnachweise eingefordert. Diese Pflichtverletzungen begründeten einen objektiven Sorgfaltspflichtverstoss der Organisation. Zwar hatte das Casino argumentiert, es habe sein Sozialkonzept umgesetzt und etwa Bonitätsabfragen über die Wirtschaftsdatenbank Teledata durchgeführt; doch eine positive Rückmeldung von Teledata sage nichts darüber aus, ob sich ein Spieler die Verluste tatsächlich leisten kann. Hier räumt das Bundesgericht ein, dass nicht jeder denkbare Organisationsfehler automatisch sanktionswürdig sein muss. Im Ergebnis war der vorliegende Sorgfaltsmangel jedoch ausreichend gravierend, um den Schuldspruch zu tragen. Art. 100 BGS erfordert dabei kein vorsätzliches Verhalten; auch fahrlässige Organisationsmängel genügen, sofern sie kausal zu Gesetzesverstössen führen.

Bruttospielertrag als Bemessungsgrundlage der Sanktion

Ein zentraler Aspekt von Art. 100 BGS ist die Bemessungsgrundlage der Sanktion. Das Gesetz knüpft die Höchstgrenze einer Busse an 15 % des Bruttospielertrags (BSE) des letzten Geschäftsjahres. Der Bruttospielertrag umfasst vereinfacht gesagt die Bruttoeinnahmen aus konzessionierten Geldspielen – bei Casinos also die Spieleinsätze abzüglich der ausbezahlten Gewinne. Im konkreten Fall summierte sich der BSE der Grand Casino Baden AG im Jahr 2020 (inklusive Online-Plattform) auf rund 71 Mio. CHF. Das Bundesverwaltungsgericht definierte die Verstösse als mittelschwer und legte in einer „Grobjustierung“ einen Sanktionsrahmen von 2–4 % des BSE fest. Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände – das Online-Casino war erst kurz in Betrieb und sah sich einem pandemiebedingten Ansturm gegenüber – erfolgte in der „Feinjustierung“ die Festsetzung auf 2,5 %, entsprechend 1,799 Mio. CHF. Dieses zweistufige Vorgehen (Rahmenfestlegung und Feinabstimmung) diente der Verhältnismässigkeitsprüfung.

Das Bundesgericht hat diese Berechnung und Einstufung ausdrücklich geschützt. Es betont, dass es sich bei der konkreten Sanktionsbemessung um eine Ermessensfrage der Vorinstanzen handelt, in die nur bei Rechtsfehlern einzugreifen ist. Vorliegend sei weder das gesetzliche Ermessen überschritten noch der Verhältnismässigkeitsgrundsatz verletzt. Die absolute Höhe der Busse wirke zwar beträchtlich, relativiert sich jedoch deutlich im Verhältnis zum Bruttospielertrag von 71 Mio. CHF. Tatsächlich schöpft die Sanktion nur einen kleinen Bruchteil (2,5 % von max. 15 %) des erlaubten Rahmens aus. Wichtig ist auch, dass Art. 100 Abs. 1 BGS nur die Erträge aus dem konzessionierten Geldspielbetrieb erfasst – andere Umsätze eines Casino-Unternehmens (z. B. aus Gastronomie oder Hotellerie) bleiben unberücksichtigt. Das Urteil stellt ferner klar, dass die Sanktionsnorm primär der Bestrafung von Pflichtverletzungen dient und weniger der Abschöpfung unrechtmässiger Gewinne. Zwar ist gemäss Gesetz der durch den Verstoss erzielte Gewinn angemessen zu berücksichtigen, doch steht der Sanktionszweck im Geldspielgesetz – anders als im Kartellrecht – im Vordergrund, eine regelwidrige Handlung zu sanktionieren, nicht lediglich einen wirtschaftlichen Vorteil abzuschöpfen.

Eine wichtige Auslegungsfrage betraf, ob bei der BSE-Bemessung zwischen verschiedenen Geschäftsbereichen der Konzessionärin differenziert werden muss. Die Grand Casino Baden AG argumentierte, es wäre unverhältnismässig, den gesamten Bruttospielertrag (Landcasino und Online) als Grundlage heranzuziehen, obwohl die Verstösse nur den Online-Bereich betrafen. Dem erteilt das Bundesgericht eine Absage: In Anlehnung an die Rechtsprechung im Fernmelderecht soll aus präventiven Gründen gerade keine Aufspaltung nach Tätigkeitsbereichen erfolgen. Der deterrente Effekt der Sanktion würde geschmälert, wenn man den Bemessungsrahmen künstlich auf den Teilbereich „Online“ begrenzt. Entscheidend ist, dass es sich um Verstösse im konzessionierten Tätigkeitsfeld handelt – dann ist der gesamte Bruttospielertrag aus diesem regulierten Bereich massgeblich. Diese Sichtweise entspricht auch den Intentionen des Gesetzgebers und früherer Gerichtspraxis: Eine Busse soll spürbar sein und sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens orientieren. Folglich war es korrekt, den beträchtlichen landbasierten Ertrag des Casinos mitzuberücksichtigen, zumal die Konzessionärin als einheitliches Rechtssubjekt agiert (eine einzige Konzession für beide Angebote). Insgesamt steht die Sanktion in einem nachvollziehbaren Verhältnis zur finanziellen Grösse der Betreiberin und – angesichts mehrerer paralleler Verstösse – auch zum Unrechtsgehalt des Verhaltens.

Zurechnung von Fehlverhalten Dritter im Konzessionsbetrieb

Ein weiterer wesentlicher Punkt des Entscheids betrifft die Zurechenbarkeit von Fehlverhalten externer Drittunternehmen, die in die konzessionierte Tätigkeit eingebunden sind. Im Online-Geldspiel arbeiten Casino-Konzessionäre oft mit spezialisierten Dienstleistern zusammen (etwa für Plattformbetrieb, Zahlungsabwicklung oder Marketing). Im vorliegenden Fall hatte die Grand Casino Baden AG einen Drittanbieter mit dem Versand von Newslettern beauftragt – wodurch es geschah, dass im Juli 2020 174 gesperrte Personen dennoch eine Werbe-Mail erhielten. Die Beschwerdeführerin machte geltend, dieses Versehen sei einem externen Partnerunternehmen (der C. AG) zuzuschreiben und dürfe nicht als eigenes Verschulden gewertet werden.

Das Bundesgericht stellt hierzu grundsätzliche Leitlinien auf: Zwar ist die Kartellrechtspraxis zur Beteiligung mehrerer Unternehmen nicht direkt übertragbar, doch gibt es im Geldspielrecht klare Vorgaben zur Verantwortung der Konzessionärin für beigezogene Dritte. Art. 9 Abs. 3 der Spielbankenverordnung (VGS) verlangt ausdrücklich, dass eine Konzessionärin die gesetzlichen Pflichten auch dann einhält, wenn sie Aufgaben an Dritte auslagert – sie muss sicherstellen, dass diese Dritten die Vorschriften ebenso erfüllen. Dadurch entsteht ein Gewährleistungsverhältnis: Die Spielbank trägt Gewähr dafür, dass ihr beauftragter Partner gesetzeskonform arbeitet. Ein direktes Unterordnungsverhältnis (wie zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer) ist dafür nicht einmal erforderlich. Die Konzessionärin soll sich nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz nicht der Verantwortung entledigen können: Wer Pflichten durch Hilfspersonen erfüllen lässt und daraus Nutzen zieht, soll auch für deren Fehlleistungen einstehen.

Wann liegt nun eine Zurechenbarkeit vor? Laut Bundesgericht sind der Spielbank all jene Verletzungen gesetzlicher Pflichten zuzurechnen, welche die beauftragte Drittperson in Erfüllung der übertragenen Aufgabe begeh. Praktisch bedeutet das: Hat das externe Unternehmen bei der Ausübung einer delegierten Casino-Tätigkeit gegen das Geldspielgesetz verstossen, so gilt dies als Verstoss der konzessionierten Spielbank selbst. Allerdings wird der Spielbank ein Entlastungsbeweis zugestanden. Sie kann sich exkulpieren, wenn sie nachweist, dass sie den Drittbetrieb sorgfältig ausgewählt, instruiert und überwacht hat. Dieses aus dem Zivilrecht (Art. 101 OR) bekannte Haftungsprinzip belässt ein gewisses Korrektiv: Nur wenn die Konzessionärin jede zumutbare Sorgfalt gegenüber dem Beauftragten walten liess, käme eine Entlastung in Betracht. Im Ergebnis ist die Hürde für eine erfolgreiche Entlastung hoch – zumal die Beweislast hierfür beim Casino liegt. Im vorliegenden Entscheid hielt das Bundesgericht fest, dass der Versand der Newsletter an gesperrte Spieler auf ungenügender Sorgfalt bei Auswahl und Überwachung des Hilfsbetriebs beruhte. Die Grand Casino Baden AG musste sich dieses Versäumnis also voll anrechnen lassen. Damit wird klar: Lizenznehmer haften in der Regel für Fehlleistungen ihrer externen Partner, soweit diese im Rahmen der Konzession tätig werden. Die Einbeziehung Dritter befreit nicht von der Verantwortung – im Gegenteil muss der Konzessionär durch wirksame vertragliche und technische Vorkehrungen sicherstellen, dass die ausgelagerte Tätigkeit gesetzeskonform abläuft.

Selbstregulierung durch Sozialkonzepte und deren Grenzen

Die Bekämpfung von exzessivem Geldspiel und Geldwäscherei beruht im schweizerischen Geldspielrecht zu einem grossen Teil auf präventiven Pflichten der Casinos selbst. Jede Spielbank muss über ein Sozialkonzept verfügen, das Massnahmen zum Spielerschutz – insbesondere Information der Spieler, Früherkennung problematischen Spielverhaltens, Selbstkontrolle (z. B. Einsatzlimiten) und Spielersperren – regelt. Diese Konzepte werden von der ESBK geprüft und genehmigt, und die Behörde überwacht ihre Umsetzung im laufenden Betrieb. Art. 76 ff. BGS sowie Kapitel 6 der Spielbankenverordnung konkretisieren die Anforderungen: So müssen Casinos mittels definierter Indikatoren das Spielverhalten beobachten, Risikomuster frühzeitig erkennen und bei gewissen Schwellenwerten umgehend einschreiten (etwa Finanznachweise einfordern und notfalls Spielerkonten vorsorglich sperren). Ebenso sind Dokumentationspflichten vorgesehen, damit jede Intervention nachvollziehbar ist. Diese Selbstregulierung im Rahmen behördlicher Aufsicht soll sicherstellen, dass gefährdete Spieler rechtzeitig geschützt und illegale Geldflüsse unterbunden werden.

Der Fall Grand Casino Baden zeigt jedoch deutlich die Grenzen der Selbstregulierung auf. Trotz eines vorhandenen und anfänglich von der ESBK bewilligten Sozialkonzepts offenbarte sich unter den aussergewöhnlichen Umständen der Corona-Zeit, dass die getroffenen Massnahmen unzureichend waren. Das Casino hatte zum Beispiel auf das Bonitäts-Scoring von Teledata vertraut und verspätet reagiert, obwohl Spieler weit über ihre Verhältnisse spielten. Das Bundesverwaltungsgericht rügte, das blosse Abfragen einer Datenbank ersetze nicht die Pflicht, zu prüfen, „ob sich ein Spieler sein Spielverhalten leisten kann“. Selbst ein von der ESBK genehmigtes Sozialkonzept entbindet die Konzessionärin nicht davon, ständig die Wirksamkeit der vorgesehenen Massnahmen zu überprüfen und nötigenfalls anzupassen. Die Genehmigung des Konzepts bedeutet nicht, dass die ESBK künftig auf detaillierte Vorgaben verzichtet – im Gegenteil besteht eine fortlaufende Pflicht der Spielbank, ihr Konzept den realen Gegebenheiten anzupassen, um die gesetzlichen Schutzziele zu erreichen.

Interessanterweise übte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil auch Kritik an der ESBK: Es wäre wünschenswert gewesen, die Behörde hätte bereits im Konzessionsverfahren klar auf ihre Vorbehalte gegen die Teledata-Methode hingewiesen. Zudem monierte das Gericht, die ESBK lege nicht konkret genug dar, welche Indizien einen Anfangsverdacht und damit eine provisorische Spielersperre begründen. Diese Mahnung zeigt, dass Selbstregulierung nur dann optimal funktioniert, wenn die Aufsichtsbehörde klare Leitplanken setzt. Die Fachaufsicht sollte Schwachstellen in den Konzepten proaktiv benennen, anstatt erst im Nachhinein Sanktionen auszusprechen. Gleichwohl entbindet ein mögliches behördliches Vertrauen in ein Konzept den Betreiber nicht von seiner Verantwortung: Im Zweifelsfall muss das Casino über die minimalen Vorgaben hinausgehen, um seinen gesetzlichen Pflichten gerecht zu werden. Der Entscheid macht deutlich, dass Sozialkonzepte keine blosse Formalität sind, sondern lebendige Instrumente, die auch ausserordentlichen Situationen (wie einem sprunghaften Anstieg von Online-Spielerzahlen) standhalten müssen. Andernfalls drohen empfindliche Sanktionen.

Bedeutung für künftige Konzessionäre und die Sanktionspraxis

Dieses Bundesgerichtsurteil setzt wichtige Massstäbe für die gesamte Glücksspielbranche der Schweiz. Erstens stärkt es die Position der ESBK als strenge Aufsichtsbehörde: Ihre konsequente Praxis, bei Verstössen empfindliche Bussen auszusprechen, wurde höchstrichterlich bestätigt. Für die ab 2025 neu konzessionierten Casino-Betreiber (der Bundesrat hat die Konzessionen für 2025–2044 jüngst neu vergeben) bedeutet dies, dass Compliance-Verstösse nicht als Kavaliersdelikt behandelt werden, sondern zu substanziellen Sanktionen führen können. Jeder Konzessionär sollte aus dem Fall Baden lernen und frühzeitig präventive Vorkehrungen treffen, um ähnliche Probleme zu vermeiden:

  • Spielerschutz verstärken: Sozialkonzepte müssen nicht nur auf dem Papier existieren, sondern in der Praxis wirksam greifen. Künftige Konzessionäre sollten klare interne Prozesse definieren, um riskantes Spielverhalten laufend zu erkennen (z. B. Monitoring von Einsatz- und Verlustobergrenzen) und unverzüglich zu intervenieren. Die Dokumentation jeder Beobachtung und Massnahme ist dabei essenziell.

  • Schulung und Sensibilisierung: Das Personal – insbesondere im Online-Bereich – sollte umfassend geschult sein, um Warnsignale für Spielsucht oder Geldwäscherei zu erkennen. Interne Abläufe sind regelmässig zu überprüfen und an neue Erkenntnisse oder verändertes Spielerverhalten anzupassen.

  • Zusammenarbeit mit Dritten im Griff haben: Werden externe Dienstleister für kritische Aufgaben beigezogen (etwa KYC-Prüfungen, Zahlungsdienstleistungen, Marketing), muss die Spielbank deren Tätigkeit engmaschig kontrollieren. Verträge sollten Compliance-Anforderungen und Berichtspflichten klar regeln. Technische Schnittstellen sind so zu gestalten, dass kein gesperrter Spieler „durchrutscht“ (Stichwort: Abgleich von Sperrlisten in Echtzeit).

  • Geldwäschereipflichten ernst nehmen: Gerade Online-Casinos stehen im Fokus der Geldwäschereibekämpfung. Es ist darauf zu achten, dass bei ungewöhnlich hohen Einzahlungen oder Gewinnen unverzüglich Abklärungen zur Mittelherkunft erfolgen. Die in der Geldwäschereiverordnung für Casinos definierten Schwellen und Meldepflichten müssen strikt eingehalten werden.

Die ESBK dürfte nach diesem Urteil ihre Praxis weiter konsequent handhaben. Für die Branche bedeutet das einerseits mehr Rechtssicherheit – es ist klar, dass die ESBK bei Verstössen einschreiten kann und darf –, andererseits aber auch den Auftrag, proaktiv für Compliance zu sorgen. Das Bundesgericht hat unmissverständlich festgehalten, dass Konzessionäre eine weitreichende Verantwortung tragen, die sich über alle ihre Geschäftsteile erstreckt. Insbesondere die Verantwortung für Drittanbieter und die Pflicht zur fortlaufenden Verbesserung interner Schutzmechanismen sind nun schwarz auf weiss bestätigt.

Abschliessend unterstreicht der Entscheid 2C_175/2024 die regulatorische Grundphilosophie des Geldspielgesetzes: Der Gesetzgeber verlangt von konzessionierten Spielbanken höchste Sorgfalt in Bezug auf Spielerschutz und Integrität des Spiels. Im Gegenzug wurde ihnen 2019 das attraktive Online-Geschäft eröffnet – verbunden allerdings mit der Erwartung, dass Selbstregulierung und behördliche Vorgaben lückenlos funktionieren. Wo dies nicht der Fall ist, greift die ESBK durch und kann spürbare Sanktionen verhängen. Das Bundesgericht hat nun die Leitplanken für diese Sanktionen abgesteckt: Art. 100 BGS bietet ein wirksames Instrument, um die Branche diszipliniert zu halten, und die Gerichte werden eingreifen, falls entweder die Behörden oder die Konzessionäre ihre Pflichten vernachlässigen. Für zukünftige Konzessionsinhaber heisst das: Compliance ist keine Option, sondern eine Conditio sine qua non – im Zweifel ist eher zu viel an Überwachung und Prävention zu investieren als zu wenig, will man Millionenbussen und Rufschädigung vermeiden.

Quellen: Bundesgericht, Urteil 2C_175/2024 vom 30. April 2025; Bundesverwaltungsgericht, Urteil B-372/2021 vom 21. Nov. 2023; Geldspielgesetz (BGS) und Spielbankenverordnung (VGS); ESBK-Medienmitteilung vom 21. Mai 202esbk.admin.ch; Aargauer Zeitung, 21. Mai 2025aargauerzeitung.ch