Einführung
Das Strahlenschutzgesetz (StSG) bezweckt, Mensch und Umwelt vor Gefährdungen durch ionisierende Strahlen zu schützen. Es gilt für alle Tätigkeiten, Anlagen und Zustände, die ionisierende Strahlung erzeugen oder radioaktive Stoffe verwenden. Darunter fallen insbesondere medizinische Anwendungen (Röntgen, Nuklearmedizin), industrielle Verfahren (z.B. Materialprüfung mit Gammaquellen) sowie Forschungslabors mit Radionukliden. Das Gesetz regelt den Umgang mit radioaktiven Substanzen und strahlenemittierenden Geräten.
Wichtig: Laser und andere nicht-ionisierende Strahlen (UV-Licht, Mikrowellen etc.) fallen nicht ins StSG, sondern in separate Regelwerke (Bundesamt für Gesundheit informiert dazu bag.admin.ch). Ziel aller Bestimmungen ist es, unnötige Expositionen zu verhindern und Strahlenrisiken auf ein Minimum zu reduzieren.
Strafnormen des StSG (Art. 43 ff.)
Das StSG enthält im 6. Kapitel die relevanten Strafvorschriften. Grundsätzlich unterscheidet man Vorsatz (absichtliches Handeln) und Fahrlässigkeit sowie schwere Delikte (Vergehen/Verbrechen) und geringfügige Übertretungen. Die wichtigsten Tatbestände sind:
Ungerechtfertigte Bestrahlung von Personen (Art. 43 StSG): Wer eine Person vorsätzlich einer offensichtlich ungerechtfertigten Strahlung aussetzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe bestraft. Erfolgt die Strahlung in der Absicht, die Gesundheit zu schädigen, steigt die Höchststrafe auf bis zu 10 Jahre. Bei Fahrlässigkeit (z.B. weil Schutzmassnahmen versäumt wurden) droht bis zu 3 Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
Beispiel: Ein Arzt führt ohne medizinische Notwendigkeit mehrfach Röntgenaufnahmen an einem Patienten durch – das ist eine ungerechtfertigte Bestrahlung (Art. 43).
Vorschriftswidriger Umgang mit radioaktiven Stoffen bzw. ungerechtfertigte Bestrahlung von Sachen (Art. 43a StSG): Vorsätzliches Lagern, Entsorgen oder Freisetzen von radioaktiven Substanzen in nicht erlaubter Weise wird mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe geahndet. Ebenfalls strafbar ist es, fremde Sachen (von erheblichem Wert) absichtlich einer ungerechtfertigten Strahlung auszusetzen, um deren Gebrauchsfähigkeit zu beeinträchtigen. Bei reiner Fahrlässigkeit ist nur eine Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen vorgesehen.
Beispiel: Ein Industriebetrieb wirft schwach radioaktive Abfälle unsachgemäss in den Hausmüll, sodass radioaktive Partikel freigesetzt werden – das kann als vorsätzlicher Verstoss gegen Art. 43a gelten.
Übertretungen (Art. 44 StSG): Diverse Pflichtverletzungen im Strahlenschutzrecht werden als Übertretungen mit Busse (Verwaltungsbusse) bestraft. Dazu zählen unter Androhung von Strafe insbesondere:
Ausübung bewilligungspflichtiger Handlungen ohne gültige Bewilligung oder Erwirken einer Bewilligung durch falsche Angaben.
Missachtung der in Bewilligungen festgelegten Auflagen und Bedingungen.
Unterlassen notwendiger Massnahmen zur Einhaltung von Dosisgrenzwerten (z.B. keine Abschirmung, fehlende Warntafeln).
Verweigerung der Dosimetrie (körperliche Dosismessung) trotz Anordnung.
Verletzung von Pflichten als Bewilligungsinhaber oder Strahlenschutz-Sachverständiger (z.B. Buchführung, Untersuchungspflichten).
Nichtabliefern von radioaktiven Abfällen bzw. Gefahrenquellen wie vorgeschrieben.
Verstoss gegen eine Strafdrohung unterstellte Ausführungsvorschrift oder Anordnung.
In allen Fällen entscheidet das Ausmass der Gefährdung über die Strafhöhe. Grundsätzlich sind absichtliche Verstösse schwerer und ziehen härtere Strafen nach sich als fahrlässige, und strafrechtlich relevante Handlungen (Freiheitsstrafe/Geldstrafe) unterscheiden sich von reinen Verwaltungsbussen.
Praxisrelevante Fallbeispiele
Medizin: Ein Arzt röntgt Patienten ohne klare Indikation mehrfach – das wäre eine ungerechtfertigte Bestrahlung (§43 StSG). Droht ein Schaden (etwa durch Überdosis), kommt Art.43 Abs.2 (bis 10 Jahre Haft) in Betracht. Ebenso strafbar ist der Betrieb eines Röntgengeräts oder Nukleartherapiegeräts ohne behördliche Bewilligung (Übertretung nach Art.44a). Beispiel: Führen Chirurgen bei einer Zahnbehandlung ohne Lizenz Röntgenaufnahmen durch, verletzen sie die Strahlenschutzvorschriften.
Industrie: In der Baustellen-Radiographie nutzen Firmen oft stark strahlende Quellen (z.B. C-60). Wenn eine solche Quelle unsachgemäss entsorgt oder beschädigt wird, kann es zu einer ungerechtfertigten Freisetzung kommen (Art.43a). So ist etwa das achtlose Wegwerfen einer kleinen radioaktiven Lichttabelle oder der Verkauf eines Leuchtstoffarmbandes mit Tritiumtracer ohne Wissen strafbar (Art.43a). Eine Firma, die ohne Unterlagen radioaktives Messmaterial transportiert, verstösst gegen die Bewilligungspflicht (Art.44a). Selbst bei keinem akuten Schaden kann die Nicht-Einhaltung von Schutznormen (fehlende Abschirmung, Ignorieren von Dosisgrenzwerten) unter Art.44 fallen.
Forschung: Hochschulen und Labors arbeiten mit Radionukliden (z.B. H-3, C-14). Werden atomar-radioaktive Abfälle (z.B. kontaminiertes Papier oder Chemikalien) unbeaufsichtigt liegen gelassen oder im normalen Abfall entsorgt, stellt dies einen Verstoss gegen Ablieferungspflichten dar und kann unter Art.44e fallen. Ebenso kann ein Student, der ohne Erlaubnis mit einer radioaktiven Quelle experimentiert, das Erfordernis einer Bewilligung verletzen.
Alltag: Im Alltag sind Straftaten nach StSG selten – es gibt nur wenige erlaubte private Quellen (z.B. Rauchmelder mit Am-241). Aber auch dies untersteht Vorschriften: Privathaushalte dürfen zerfallene Zündschnur-Raumfahrerlampen oder Altgerätetekle mit Strahlungsquellen nicht selbst reparieren oder wegwerfen – unsachgemässer Umgang wäre gemäss Art.43a strafbar. (Grundsätzlich dürfen Privatpersonen keine selbst gebastelten radioaktiven Experimente durchführen – diese fallen unter den Handlungsbereich des Gesetzes und bedürfen Bewilligung.)
Praxistipps zur Vermeidung von Verstössen
Vollständige Bewilligungen und Ausbildungen: Klären Sie im Voraus, ob Ihre Tätigkeit oder Anlage bewilligungspflichtig ist. Holen Sie alle nötigen Bewilligungen ein und halten Sie die Bedingungen strikt ein. Sorgen Sie dafür, dass nur fachlich qualifiziertes Personal (ausgebildet im Strahlenschutz) mit den Quellen arbeitet.
Schulung und Sensibilisierung: Schulen Sie alle Mitarbeitenden regelmässig im korrekten Umgang mit ionisierender Strahlung und den betrieblichen Sicherheitsvorschriften. Vergewissern Sie sich, dass Warnschilder gut sichtbar sind und Notfallmaßnahmen bekannt sind.
Dokumentation und Buchführung: Führen Sie ein Buch über den Einsatz radioaktiver Stoffe oder Strahlenquellen (Art.36 StSG). Dokumentieren Sie Strahlenmessungen, Dosiswerte und Prüfungen. Eine lückenhafte Dokumentation kann als Pflichtverletzung (Art.44) gewertet werden.
Schutzmassnahmen beachten: Achten Sie stets auf die Einhaltung von Dosisgrenzwerten. Tragen Sie Schutzkleidung und Dosimeter, wenn vorgeschrieben. Lassen Sie Strahlenräume regelmässig kontrollieren.
Korrekte Entsorgung: Übergeben Sie alle radioaktiven Abfälle über die vorgesehenen Kanäle (z.B. Deponieabgabe, Fachfirmen). Vermeiden Sie jegliche Freisetzung (z.B. vorzeitige Entsorgung von Strahlenquellen).
Melden von Vorfällen: Bei Unfällen oder Verdacht auf Kontamination informieren Sie sofort die zuständige Behörde (z.B. BAG oder ENSI). Das frühzeitige Melden kann Strafen mildern.
Regelmässige Kontrollen: Nutzen Sie behördliche Inspektionen und Guidelines, um Compliance zu überprüfen. Eine gut geführte Strahlenschutzorganisation minimiert unbeabsichtigte Gesetzesverstösse.
FAQ
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Nein. Der private Umgang mit radioaktiven Substanzen ist streng bewilligungspflichtig. Jeder Vorgang ohne Erlaubnis (z.B. selbst besorgte Radiumquellen im Bastelset) fällt unter Art. 44a StSG und wird bestraft. Auch das unsachgemässe Lagern oder Entsorgen von Radioaktivmaterial ist strafbar (Art. 43a). Experimentiert jemand zu Hause mit radioaktiven Proben oder beschädigt verbotenerweise natürliche Uranminerale, begeht er eine Straftat. Im Ernstfall können Art. 43a (bei Freisetzung) oder Art. 44 (Übertretung) angewendet werden.
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Der Transport ist nur mit ausdrücklicher Bewilligung und nach strengen Vorschriften erlaubt (Kennzeichnung, Verpackung, Grenzwerte etc.). Jeder Transport ohne gültige Genehmigung stellt eine bewilligungspflichtige Handlung dar (Art. 44 Abs. 1 lit. a) und wird mit Busse geahndet. Gelangt auf dem Transportweg Radioaktivität in die Umwelt oder zu Personen, kann zudem Art. 43 StGB (Gefährdung durch Radioaktivität) zur Anwendung kommen. Kurzum: Unkontrollierter Transport kann zur Strafanzeige führen.