Fakeshops in der Schweiz: schöne Geschichten, leere Pakete – und ein schwacher Rechtsstaat?
Die Schlagzeile im Blick hat viele aufgerüttelt: «Mit diesem Lächeln werden Kunden in die Falle gelockt». Dahinter steckt ein besonders dreistes Beispiel für die neue Generation von Online-Betrügern. Unter dem Namen «Meier Bern» wird ein Modegeschäft mit langer Tradition, einer sympathischen Gründerin und angeblich enger Zusammenarbeit mit Schweizer Manufakturen beworben. Alles erfunden: Gründerin, Laden in der Berner Altstadt und sogar die Bilder – KI-generiert, täuschend echt und gleichzeitig unheimlich künstlich.
Was Käuferinnen und Käufer statt der versprochenen Qualitätsware erhalten, ist billigste Massenproduktion aus Fernost, wenn überhaupt geliefert wird. Der Fall ist kein Einzelfall, sondern Teil einer Welle von Fakeshops, die die Schweiz überrollt. Das Thema wird gerade heiss im Blick und in den Kommentarspalten diskutiert – auch weil die Ohnmacht der Behörden auffällt.
Der rechtliche Rahmen: UWG und Strafgesetzbuch
Das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zieht klare Grenzen. Art. 3 Abs. 1 lit. b UWG verbietet irreführende Angaben über wesentliche Eigenschaften von Waren. Wer vorgibt, Schweizer Qualitätsprodukte anzubieten, tatsächlich aber Billigimporte verschickt, verstösst dagegen. Noch deutlicher wird es, wenn eine ganze Firmengeschichte samt Gründerfigur erfunden ist: Art. 3 Abs. 1 lit. i UWG untersagt das Vortäuschen von Geschäftsmodellen. Fehlt zudem ein Impressum oder eine ladungsfähige Adresse, kommt Art. 3 Abs. 1 lit. s UWG ins Spiel, der die Identitätsverschleierung ahndet.
Doch damit nicht genug. Oft greifen auch strafrechtliche Normen. Art. 146 StGB stellt den Betrug unter Strafe – also die Täuschung über Tatsachen, um sich einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Genau das passiert hier: Konsumentinnen und Konsumenten zahlen im Vertrauen auf falsche Angaben, während die Täter Gewinn erzielen. Auch Urkundenfälschung nach Art. 251 StGB kann im Raum stehen, wenn gefälschte Belege oder Zertifikate auftauchen. In manchen Konstellationen könnte auch Art. 147 StGB (Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage) relevant sein, etwa bei manipulativen Fake-Bewertungen.
Warum Strafverfahren ins Leere laufen können
Theoretisch ist die Rechtslage also eindeutig. Die irreführende Bewerbung von fake Produkten ist grundsätzlich strafbar. Praktisch jedoch scheitern Strafverfahren oft an ganz banalen Grenzen. Zunächst braucht es eine Anzeige – von Konsumentinnen selbst oder vom Konsumentenschutz. Die Staatsanwaltschaft leitet dann eine Voruntersuchung ein. Doch bereits bei den Ermittlungen zeigen sich die Risiken:
Anonymität der Täter: Domains werden anonym registriert, Server liegen ausserhalb der Schweiz. Die Rückverfolgung führt oft ins Nichts.
Internationale Dimension: Selbst wenn eine Spur zu einer Briefkastenfirma in Hongkong oder Dubai führt, ist eine Rechtshilfe aufwendig, langsam und mit ungewissem Ausgang.
Ressourcen der Strafverfolgung: Kantonale Staatsanwaltschaften haben schlicht nicht die Kapazität, jeder einzelnen Anzeige nachzugehen. Ein Shop verschwindet, ein neuer taucht auf – die Ermittlerinnen sind immer einen Schritt zu spät.
Beweissicherung: Bis eine Untersuchung läuft, sind Website und Zahlungswege häufig bereits abgeschaltet. Die Täter haben ihre Spuren verwischt.
Das Risiko ist damit hoch, dass ein Verfahren zwar eröffnet, aber am Ende eingestellt wird. Für Konsumentinnen bedeutet das: Ihr Geld ist in aller Regel verloren, die Verantwortlichen bleiben ungestraft.
Zwischen Windmühlen und Prävention
Genau deshalb spricht Konsumentenschützerin Sara Stalder im Blick vom «Kampf gegen Windmühlen». Das UWG erlaubt Abmahnungen und Klagen, das Strafrecht kennt klare Tatbestände – aber die internationale Natur des Problems macht die Durchsetzung extrem schwierig.
Was bleibt, ist Prävention. Konsumentinnen müssen lernen, Angebote kritisch zu hinterfragen. Ein fehlendes Impressum, Rabatte von 70 Prozent, eine allzu rührselige Firmengeschichte oder übertrieben perfekte Bilder sollten Warnsignale sein. Auch der Zahlungsweg ist entscheidend: Wer nur Vorauskasse oder Kreditkarte akzeptiert, erhöht das Risiko. Sicherer ist der Kauf auf Rechnung oder über bekannte Plattformen mit Käuferschutz.
Fazit
Der Fall «Meier Bern» zeigt exemplarisch, wie modern und zugleich dreist Online-Betrug heute funktioniert. Juristisch ist das Bild klar: Verstösse gegen Art. 3 UWG, in vielen Fällen Betrug nach Art. 146 StGB. Doch die Realität der Strafverfolgung ist ernüchternd. Für die Täter ist es ein Spiel mit minimalem Risiko, für die Betroffenen eine schmerzhafte Erfahrung.
Die Debatte im Blick verdeutlicht: Die Politik muss handeln, Behörden brauchen mehr Instrumente und internationale Zusammenarbeit. Bis dahin gilt: Der beste Schutz ist Wachsamkeit. Wer glaubt, ein einmaliges Schnäppchen aus der Schweiz gefunden zu haben, sollte zweimal hinschauen – und im Zweifel lieber die Finger davon lassen.
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